49/2020 Möglichkeit für das Experimentelle nutzen

Essen, September 2020. Die Architektin Hanna Moosbauer (32) hat als Studentin im Jahr 2011/2012 das Interior Scholarship, ein gemeinschaftliches Stipendium der AIT und der gemeinnützigen Sto-Stiftung, absolviert. Seit 2016 arbeitet Moosbauer im Architekturbüro „Riepl Riepl“ im österreichischen Linz. Zudem ist sie am Institut für Gebäudelehre an der TU Wien tätig. Im Interview schaut sie zurück auf ihre Zeit als Stipendiatin und gibt einen Einblick in ihre Arbeit sowie Tipps für die Karriere.

Frau Moosbauer, vor wenigen Wochen waren Sie Teil der Jury zur Vergabe des Interior Scholarship Stipendiums für das Studienjahr 2020/21. Wie war es für Sie als ehemalige Stipendiatin auf der anderen Seite zu stehen?

Ich bin dankbar, dass man mir als einer jüngeren Architektin und ehemaligen Stipendiatin die Chance dazu gegeben hat. Ich wurde mit offenen Armen aufgenommen. Alle waren sehr wertschätzend. Es war interessant, den Auswahlprozess der Jury live mitzuerleben. Besonders die Diskussionen rund um die finalen Gewinnerprojekte habe ich als äußerst lehrreich empfunden.

Wie war die Qualität der eingereichten Arbeiten? War schnell klar, welche vier Anwärter das Rennen machen?

Der erste Schritt, die Auswahl der finalen 30 Prozent, ging erstaunlich schnell. Das lag auch daran, dass sich die meisten der Studenten nicht viel zugetraut haben. Viele Arbeiten waren sehr brav, entsprachen der Masse. Die Experimentellen sind belohnt worden. Sie haben die Chance ergriffen und sich bei Ihren Entwürfen was getraut. Dafür ist das Stipendium schließlich da. Das hat uns als Jury gefallen.

Mit welchen Entwürfen haben Sie sich damals beworben?

Ich habe Projekte mit den Schwerpunkten (Innen-)Raum und Recycling eingereicht, sowie ein Materialexperiment mit Keramik. Ein Projekt war die Karaokejurte, das Gewinnerprojekt für den internationalen Studenten-Wettbewerb „The Brothering Cup“, den eine chinesische Universität ausgeschrieben hat und im Zuge dessen ich 2010 als eine von drei Studenten der Universität für angewandte Kunst nach China reisen durfte.

Und was hatte Sie dazu bewogen, sich für das Stipendium zu bewerben?

In erster Linie war es der finanzielle Aspekt. Die Fördersumme war damals höher als heute. Dafür wurden nur drei Stipendiaten unterstützt. Wir bekamen 1.000 Euro im Monat. Eine Menge Geld für eine Studentin. Ich habe damals parallel Industriedesign an der Kunstuniversität und Architektur an der TU in Wien studiert. Das war für mich die perfekte Mischung, die kleine Kunst-Uni mit Einzelbetreuung und die große TU, in der ich eine von vielen war! Das Bauen von Prototypen und Modellen im Industriedesign ist teuer. Neben dem Finanziellen hat mich aber vor allem auch die Ausstellung im Rahmen des AIT-Salons während der Möbelmesse in Köln gereizt. Das war was ganz Großes!

Erinnern Sie sich noch, was Sie dort ausgestellt haben?

Es ging um kleine Installationen, die Stipendiaten des Jahrgangs präsentierten. Jeder von uns konnte ein Projekt genauer vorstellen. Bei mir waren es Leuchten aus Porzellan.

Wie haben Sie die Zeit als Stipendiatin konkret genutzt?

Ich habe meinen Job in einem Architekturbüro, den ich neben dem Studium an zwei Unis hatte, aufgegeben und mich voll und ganz auf meine Studien konzentriert. Das war eine einmalige Chance! Ich konnte viel mehr Zeit in der Werkstatt verbringen, mehr Materialien kaufen und viele Prototypen bauen. Einige, der während dieser intensiven Zeit entstandenen Projekte, habe ich 2012 beim „DMY International Design Festival“ in Berlin, einer internationalen Plattform für zeitgenössisches Produktdesign, ausgestellt. Das war eine schöne Erfahrung.

Warum sollten sich Studierende für das Interior Scholarship bewerben?

Ein derartiges Stipendium ist eine super Chance und man sollte das Beste daraus machen. Gerade die intensive Beschäftigung mit einem konkreten Projekt im Bewerbungsprozess finde ich großartig.

Das Stipendium wurde in diesem Jahr zum zehnten Mal vergeben. Sie waren im Studienjahr 2011/12 eine der ersten Stipendiatinnen. Was könnte man insgesamt noch verbessern?

Das Stipendium hat sich in den Jahren entwickelt und so, wie es jetzt ist, ist es super. Die Stegreifaufgabe wurde eingeführt und es werden vier statt drei Studierende gefördert. Ich würde daran nichts ändern. Ich denke, der Studiengang der Innenarchitektur muss sich ändern.

Wie meinen Sie das?

Wir müssen bei der Ausbildung selbst ansetzten. In Deutschland gibt es die Möglichkeit, Innenarchitektur zu studieren. In Österreich ist es lediglich Teil des Architekturstudiums. Nur eine private Universität macht die Ausnahme und bietet den Studiengang an. Das ist zu wenig. Aber auch die Studierenden müssen sich mehr zutrauen und auch mehr zutrauen dürfen. Das hat mir die Jurysitzung nochmals verdeutlicht. Viele Bewerber waren in ihren eingereichten Arbeiten sehr zurückhaltend. Dabei sollte man gerade an der Uni die Möglichkeit für das Experimentelle nutzen. Wo kann man mehr ausprobieren als an der Universität?

Auch Sie sind neben Ihrer Arbeit in einem Architekturbüro am Institut für Gebäudelehre an der TU Wien tätig. Was möchten Sie Ihren Studierenden beibringen? Wo liegt ihr Schwerpunkt?

Das Studium der Architektur an der TU Wien ist ein Massenstudium. Ich habe eine Assistenzstelle und betreue eine kleine Gruppe von 24 Studierenden im vierten Semester. Die Studierenden sind am Ende des zweiten Studienjahres dabei, erste Entwurfskonzepte zu entwickeln. Ich begleite sie. Wichtig ist mir auch die Arbeit am tatsächlichen Modell. Das kann nicht durch das 3D-Modell am Computer ersetzt werden.

Weitere Informationen: www.sto-stiftung.de

Zeichen: 5.603