09/2023 „Das ist halbherzig – dabei brauchen wir eine starke Antwort!“

Berlin, Oktober 2023 – Die Wohnungsbaukrise in Deutschland rückt zunehmend als soziale Frage in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Der Neubau ist rückläufig. Es mangelt an bezahlbarem Wohnraum. Umzugswillige verbleiben notgedrungen in ihren vier Wänden. Anderenfalls müssten sie viel höhere Mieten akzeptieren. Nicht einfacher haben es Bauherren. Für eine Eigenheimfinanzierung müssen sie heute je nach Region – im Vergleich zu früheren Jahren – fast dreimal so hohe Grundstücks-, Baupreise und Kreditzinsen einkalkulieren. In dieser Situation plant die Ampelkoalition, den Wohnungsneubau mit 14 Maßnahmen für die Bau- und Immobilienwirtschaft anzukurbeln. Dazu zählen auch verbesserte Förderbedingungen des seit Juni 2023 wenig erfolgreichen Neubauprogramms „Wohneigentum für Familien“ (WEF). Zum 16. Oktober 2023 stellt die KfW-Bank das WEF um – auf höhere Einkommensgrenzen und Kredite. Welche Anschubwirkung ist zu erwarten?

„Ich gehe davon aus, dass die Erhöhung der Einkommensgrenzen den Kreis der förderberechtigten Baufamilien zwar erweitern wird“, sagt Enrico Roth, geschäftsführender Gesellschafter des in der Region Berlin/Brandenburg führenden Hausbauunternehmen Roth-Massivhaus. Er meint aber: „Ich bezweifele jedoch, dass die Zielgruppe des Programms ihre Baufinanzierung zukunftssicher stemmen kann. Grund sind die hohen Anforderungen für ein klimafreundliches Wohngebäude und eine immer noch zu niedrige Förderung.“ Dem Bauexperten sind die neuen Regelungen für das WEF-Neubauprogramm immer noch zu restriktiv.

Er monierte schon in der ersten Version des WEF einschränkende Förderklauseln, die wenig Sinn ergeben, will man in Deutschland den Wohnungsbau befördern. So kam die WEF-Förderung zum Beispiel nicht in Frage für Antragsteller, die schon ein Wohngebäude in Deutschland besaßen oder auch nur einen Anteil daran hatten.

Roth: „Das ist ganz klar politisch so gewollt. Und ob die jetzigen Nachbesserungen insgesamt zu mehr Wohneigentum, mehr Klimaschutz und langfristig bezahlbaren Mieten bzw. bezahlbaren Baudarlehen beitragen werden, steht in den Sternen. Von einer Zeitenwende im Wohnungsneubau sind wir Lichtjahre entfernt. Dabei ist ein funktionierender Wohnungsmarkt systemimmanent für unsere Demokratie. „Das ist halbherzig – dabei brauchen wir eine starke Antwort, um die soziale Frage Wohnen zu beantworten.“

Novellierte Förderung setzt erneut Grenzen

In dem novellierten Neubauprogramm WEF wird auf die kostenintensive Fördervoraussetzung Energiesparhausstandard EH 40 verzichtet. Nicht nur der Neubau, auch der Erwerb von Bestandsimmobilien soll gefördert werden. Nachgebessert werden die Förderbedingungen bei der Grenze des zu versteuernden Jahreseinkommens einer Familie und bei den Kredithöchstbeträgen.

Die Einkommensgrenze liegt nun fortan bei 90.000 Euro (statt 60.000 Euro) und erhöht sich mit jedem weiteren Kind um 10.000 Euro.

Die Kredithöchstbeträge hebt die KfW um bis zu 30.000 Euro an. Ihre Höhe ist abhängig von der Anzahl der Kinder. In Förderstufe I – „Klimafreundliches Wohngebäude“ (ohne Nachweis des Qualitätssiegels Nachhaltiges Bauen/ kurz: QNG) gibt es zwischen 170.000 bis 220.000 Euro. In Förderstufe II (erforderlich sind Zertifikate für QNG Plus oder Premium) reichen die maximalen Kredithöhen von 220.000 bis 270.000 Euro.

Es entscheidet sich also von Förderstufe zu Förderstufe und von Kindeszahl zu Kindeszahl, in welcher Höhe eine Baufamilie die KfW-Mittel erhält und ob sie damit die Baufinanzierung in für sie verträglichen Monatsraten leisten kann.

Enrico Roth weiß: „Alles steht und fällt mit der Einkommenshöhe und der Eigenkapitalquote – im Zusammenspiel mit den Grundstücks-, Hauspreis-, Bauneben-, Kredit- und Zertifizierungskosten für das klimafreundliche Eigenheim. Wer nicht genug Eigenkapital hat, wird trotz staatlicher Förderung seine Hausbank für die Restfinanzierung nicht gewinnen können. Und wer trotz KfW-Kredite auf zu hohe Monatsraten in der Baufinanzierung kommt, kann genötigt sein, seine Pläne ad acta zu legen.“

Nachhaltige Neubauten, die die hohen QNG-Anforderungen erfüllen, errichtet Roth-Massivhaus, ohne dass Mehrkosten anfallen. Für diese Gebäude erhalten die Baufamilien den Kredithöchstbetrag von 270.000 Euro – vorausgesetzt, sie haben fünf Kinder.

Doch da können schnell grenzwertige Baufinanzierungsraten entstehen und die monatlichen Fixkosten des Privathaushalts sind noch nicht berücksichtigt. Wird das bei einem Bruttojahreseinkommen von 90.000 Euro und ein wenig mehr funktionieren?

Das novellierte WEF-Programm wird an seinen Antragstellern gemessen werden. Die Vorgängerversion brachte es von Juni bis August 2023 auf 212 Bewilligungen.

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