baupressekompakt: Speichern statt dämmen – Wir müssen anders bauen

Berlin, September 2018 (PRG) Spätestens in diesem Jahr dürfte klar geworden sein, dass das Thema sommerlicher Hitzeschutz stärker als bisher in die Gebäudeplanung einfließen muss, meint Clemens Kuhlemann, Geschäftsführer der Deutschen Poroton. Es ist wohl zu erwarten, dass wir Sommer wie diesen, mit extremer Hitze und Trockenheit, öfter und in zunehmend kürzeren Intervallen erleben. Doch wie schaffen wir es, in unseren Gebäuden ganzjährig für angenehme Temperaturen zu sorgen?

Nach wie vor steht der Energieverbrauch, der für das Heizen benötigt wird, bei der Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden im Mittelpunkt. Auch das kommende Gebäudeenergiegesetz GEG ändert daran nichts Grundsätzliches. Immerhin: Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien wurde keine Verschärfung der derzeit gültigen EnEV als Ziel für das neue GEG definiert. Trotzdem wird ein Thema von grundlegender Bedeutung leider immer noch zu wenig beachtet: Die Wärmespeicherfähigkeit von Baustoffen und die damit verbundene temperaturregulierende Wirkung, die nachweislich einen positiven Beitrag zur energetischen Gesamtbilanz von Gebäuden leistet.

Weniger Technik, bessere Gebäudehülle

Speichern statt dämmen: Wenn wir auf nachhaltige Weise ganzjährig für angenehme Temperaturen sorgen wollen, müssen wir uns wieder auf die Speicherfähigkeit von Baustoffen besinnen. Mit Anlagentechnik lässt sich sommers wie winters jede gewünschte Temperatur in einem Gebäude erzeugen. Wer sich darauf verlässt, muss allerdings bedenken, dass die Technik meist sehr aufwendig ist, ständiger Wartung bedarf und laut einschlägiger Gutachten kaum länger als 15 Jahre hält. Der Ersatz der veralteten Technik kann sehr teuer sein.

Noch ist der Anteil der Gebäudeklimatisierung an Energieverbrauch und CO2-Emissionen in Deutschland relativ gering. Weltweit gesehen fließt aber bereits ein Zehntel des verbrauchten Stroms in Klimageräte und Lüfter. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass sich dieser Wert aufgrund des Klimawandels bis 2050 verdreifachen wird. Werden wir künftig mehr Energie fürs Kühlen statt fürs Heizen aufwenden, weil wir verlernt haben, wie man richtig baut?

Die Wärmespeicherfähigkeit von Baustoffen ausnutzen

Jedes Kind weiß: Ein Stein, der von der Sonne beschienen wurde, fühlt sich immer noch angenehm warm an, wenn die Sonne längst untergegangen ist. Bereits Kinder begreifen intuitiv ein einfaches physikalische Prinzip: Je schwerer, je kompakter ein Material ist, desto mehr nimmt es Wärmeenergie auf, speichert sie und gibt diese als Strahlung wieder an eine kühlere Umgebung ab. „Erwachsen“ ausgedrückt: Massive Ziegelbauten dämpfen die Temperaturamplitude und sorgen für eine Phasenverschiebung des Temperaturverlaufs. Bedeutet im Winter: Drinnen angenehm warm. Bedeutet im Sommer: Drinnen angenehm kühl. Die Menschen im Mittelmeerraum bauen seit Jahrtausenden nach diesem Prinzip. Deshalb gehören dort beispielsweise massive Gebäude aus gebranntem Ton zur Lebens- und Baukultur – wie Käse, Wein und Oliven.

Nachhaltige Gebäude haben eine hochwertige Gebäudehülle

Ich verweise in diesem Zusammenhang immer wieder gern auf das mehrfach preisgekrönte und vielfach diskutierte Bürogebäude 2226 von Baumschlager Eberle Architekten. Nicht nur, weil es aufgrund seiner enormen thermischen Speichermasse dank 76 Zentimeter starkem, zweischaligem Ziegelmauerwerk ohne Heizung, technische Lüftung und Klimatisierung auskommt. Sondern vor allem, weil einer der Architekten, Prof. Gerd Jäger, Nachfolgeprojekte in Deutschland plant, und zwar explizit auch im Wohnungsbau. Ich bin sehr auf die Umsetzung gespannt!

Natürlich lässt sich in der Baupraxis nicht jedes Gebäude so bauen, wie gerade beschrieben. Mein Anliegen ist es, dass sich die Entscheider im Bauwesen wieder darauf besinnen, architektonisch ansprechende, qualitativ hochwertige, langlebige und energetisch auf einfache Weise optimierte Gebäude zu bauen. Eine klug geplante, werthaltige Gebäudehülle steht 100 Jahre und mehr. Wer auf Technik setzt, muss diese in dieser Zeit mindestens fünfmal erneuern. Das ist nicht meine Vorstellung eines nachhaltigen Gebäudes.

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