24/2018 Vom Gefühl, etwas geschafft zu haben

Berlin, September 2018 (PRG) – Obwohl das neue Lehrjahr in vielen Betrieben bereits begonnen hat, bleiben zahlreiche Lehrstellen unbesetzt: Allein für Berliner Wirtschaftsbetriebe meldete die IHK bis Ende August noch 5 500 freie Plätze. Eine aktuelle Umfrage des Industrie- und Handelskammertags attestiert, dass deutschlandweit jeder dritte Handwerksbetrieb seine offene Ausbildungsstellen bisher nicht besetzen konnte. Besonders das Baugewerbe sucht Nachwuchskräfte, der Bedarf an Fachpersonal lässt sich kaum mit nachrückenden Gesellen decken. Rar gesät in fast jedem Bauunternehmen: Maurer-Azubis.

Was können Betriebe unternehmen, um mehr junge Menschen vom Maurerhandwerk zu überzeugen? Die Deutsche Poroton fragte bei den Profis nach: Dem ZDB-Nationalteam der Maurer. Bei den diesjährigen EuroSkills vom 26. – 28. September in Budapest geht es darum, Gold für Deutschland zu holen: Die Deutsche Poroton unterstützt den Nachwuchs mit Material- und Trikotsponsoring sowie Öffentlichkeitsarbeit. Clemens Kuhlemann, Geschäftsführer der Deutschen Poroton, erklärt: „Wir unterstützen das Nationalteam der Maurer, weil uns ist die Kompetenz am Bau sehr wichtig ist – fürjetzt und in der Zukunft.“

Christoph Rapp (EuroSkills Teilnehmer und angehender Maurermeister) Kevin Schulz (Co-Trainer und Ausbilder am Lehr- und Ökobauhof Oranienburg e. V.) und Jannes Wulfes (Haupttrainer und Maurermeister) gaben beim ZDB-Training im Rahmen des Tages der offenen Ministerien in Berlin zahlreiche Anregungen für Betriebe, wie diese den Kampf um Lehrlinge gewinnen können.

Argumente sammeln

Um Schulabsolventen anzusprechen, brauchen Bauunternehmen die richtigen Argumente: Was sind gute Gründe für Berufsanfänger, Maurer zu werden? Für Christoph Rapp keine schwierige Frage: „Beim Maurerberuf ist man den ganzen Tag an der frischen Luft und kann sich auspowern. Es ist einfach ein super Gefühl, wenn der Tag vorbei ist und man sieht, was man geschafft hat.“ Auch das Gegenargument Schlechtwetter kann er entkräften: „Es ist heute nicht mehr so, dass man bei größtem Regen noch draußen arbeiten muss. Wir weichen beispielsweise auf Innenarbeit aus, wenn es die Baustelle zulässt – manchmal bieten Firmen ja auch Trockenbauarbeiten an.“ Jannes Wulfes ergänzt: „Bei gutem Wetter zieht man ja auch seine Vorteile daraus, jeden Tag draußen zu sein.“

Ausbilder Kevin Schulz rät zu einer klareren Kommunikation der vielfältigen Tätigkeiten: „Die Arbeit ist abwechslungsreich. Von Betonarbeiten an der Grundplatte über den Mauerwerksbau und die Herstellung von Treppen bis hin zum Verklinkern der Fassade hat man eine große Breite an unterschiedlichen Aufgaben.“ Christoph Rapp ergänzt: „Mein Betrieb verlegt teilweise auch Rohre. Andere bieten Pflasterarbeiten an. Die Vielfalt an möglichen Arbeiten ist einfach enorm.“

Für beide ein weiterer Pluspunkt: Im Gegensatz zu einem Bürojob kommen Maurer-Azubis viel herum. „Man sieht viel von der Welt und ist dabei noch mit Kollegen unterwegs. Das kann natürlich auch Motivation für junge Leute sein, diesen Beruf zu ergreifen“, meint Kevin Schulz.

Ausbildungsmessen, Schulbesuche, Öffentlichkeitsarbeit

Unabdinglich für Betriebe sind Teilnahmen an regionalen Ausbildungsmessen, Eltern- und Schülertagen sowie regelmäßige Besuche an Schulen der Umgebung. Solche Aktivitäten hält Kevin Schulz für extrem wichtig: „Bauunternehmen, die hier etwas tun, haben kaum Schwierigkeiten, Lehrlinge zu finden.“ Bei Messen ist es zudem hilfreich, junge Mitarbeiter oder Azubis im zweiten oder dritten Lehrjahr dabei zu haben. Sie sind gute Botschafter und senken die Hemmschwelle der Schüler, Personen am Stand anzusprechen.

Auch Öffentlichkeitsarbeit ist für Kevin Schulz ein Muss: „Aktive Nutzung von Facebook und den sozialen Medien zur Ansprache, Bildmaterial und Imagefilme mit anderen Auszubildenden – da sollten die Betriebe viel mehr machen.“ Eins der wichtigsten Werbe-Instrumente ist aber die persönliche Empfehlung. „Über Verwandte, Bekannte und Freunde kommen die meisten neuen Azubis in die Betriebe“, resümiert Christoph Rapp. „Für solche Empfehlungen ist natürlich ein gutes Betriebsklima Voraussetzung.“

Aufstiegschancen kommunizieren

Mit im Gepäck haben sollten Baubetriebe Informationen zu Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Maurergesellen. „Ich mache beispielsweise gerade den Meister“, sagt Christoph Rapp. „Ausgebildete Maurer können aber auch eine Weiterbildung zum Werkpolier, zum geprüften Polier oder Techniker machen. Viele Schulabgänger wissen das nicht.“ Kevin Schulz besucht für den Lehr- und Ökobauhof Oranienburg viele Ausbildungsmessen. Er nutzt die WorldSkills- und EuroSkills-Teilnehmer gern als Vorzeigebeispiele, was Maurer neben der reinen Ausbildung erreichen können: „Erst Ausbildung, dann Landesmeister, dann deutscher Meister, im Anschluss vielleicht sogar europäischer Meister. Damit bekommt man sicherlich nicht jeden, aber einige begeistert das für den Beruf.“

Die Eltern überzeugen

Es mag seltsam klingen, aber mitunter reicht es nicht, Schulabgänger mit Argumenten zu überzeugen – ausschlaggebende Instanz sind in vielen Fällen die Eltern. Christoph Rapp kennt das Problem: „Meiner Erfahrung nach ist es gar nicht so schwer, die Schüler selbst dafür zu gewinnen. Die Eltern raten dann davon ab, weil sich noch immer hartnäckig die Meinung hält, dass man sich als Maurer körperlich kaputt macht.“

Hier kann es helfen, bei Ausbildungsmessen gezielt auch die Eltern anzusprechen, wenn sie ihre Kinder begleiten. Den Bedenken wegen harter körperlicher Arbeit kann beispielsweise entgegengestellt werden, dass dank technischer Hilfe viele der physisch anstrengenden Arbeiten leichter geworden sind.

Praktika und Ferienarbeit anbieten

Damit Schüler einen Eindruck von der Ausbildung bekommen, sollten Betriebe Praktika und Ferienarbeit anbieten. Dabei können sich beide Seiten kennenlernen und Maurer-Azubis merken schon vor Beginn der Ausbildung, ob der Beruf etwas für sie ist. Die Abbruchquote wird niedriger. Christoph Rapps Betrieb, die Rapp Bau GmbH in Schemmerhofen, hat seit Anfang September fünf Lehrlinge, drei davon im ersten Lehrjahr. Er bestätigt: „Viele haben davor Ferienarbeit bei uns gemacht. Außerdem gibt es in der Umgebung eine Gemeinschaftsschule, von der immer wieder Praktikanten kommen.“

Neue Zielgruppen erschließen

Auch die Baubranche spürt das Problem der Über-Akademisierung von Schulabgängern, geht es doch mit einer mangelnden Wertschätzung der dualen Berufsausbildung einher. „Alle meinen, unbedingt studieren zu müssen“, fasst Christoph Rapp zusammen. Dennoch ergeben sich auch positive Effekte: „Den Betrieben eröffnet das derzeit eine neue Zielgruppe“, sagt Kevin Schulz. „Studienabbrecher sind ein attraktives Fachkräftepotenzial. Sie haben Abitur und oft schon während eines technischen Studiums, zum Beispiel Bauingenieurwesen, nützliche Kenntnisse erworben. Da kann man ansetzten.“

Qualität der Ausbildung

Ist ein Lehrling gefunden, spielt nicht zuletzt die Qualität der Ausbildung eine Rolle, um ihn im Unternehmen zu halten. „Wichtig ist, wie Azubis ausgebildet werden, dass Ausbilder und Betrieb nicht nur ein Programm nach „Schema F“ fahren, sondern auf die Lehrlinge eingehen. Für mich ist das schönste am Maurerberuf das Verarbeiten kleiner Steine wie Klinker. Damit schaffe ich es oft, Interesse zu wecken“, empfiehlt Kevin Schulz. Christoph Rapp ergänzt: „Ich arbeite am liebsten mit großformatigen Poroton-Ziegeln. Aber der Punkt ist, die Azubis an die Hand zu nehmen, ihre Stärken zu finden und sie für den Beruf zu begeistern. Dann klappt es auch mit dem eigenen Fachkräftenachwuchs.“

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