17/2017 Lebenswerte Räume gestalten

Berlin, September 2017 (PRG) – Familien- und demografiegerecht sowie architektonisch herausragend: Das neue Wohnquartier Liebighöfe in Aschaffenburg soll Vorbildfunktion für den geförderten Wohnraum in Bayern haben. Das mit Landesmitteln ausgestattete Projekt wurde vom Berliner Architekturbüro Bruno Fioretti Marquez geplant und ausgeführt. Die beiden Gebäuderiegel sind monolithisch mit dämmstoffverfüllten Poroton-Ziegeln errichtet.

Vorzeigeprojekt für den Wohnungsbau in Bayern

Die Liebighöfe sind aktuell das größte Neubauprojekt der Aschaffenburger Stadtbau GmbH. „Lebenswert, erschwinglich, barrierefrei, energieeffizient,“ umreißt Manuela Rösel-Keim, Technische Leiterin bei der Stadtbau, die Planungseckpunkte für die Siedlung. „Mit den Liebighöfen möchten wir zeigen, dass geförderter Wohnraum und qualitativ hochwertige Bauweise zwei Seiten derselben Medaille sind“, so Rösel-Keim. Die Oberste Baubehörde im Bayerischen Innenministerium unterstützt das Projekt, Mittel aus dem Bayerischen Wohnungsbauprogramm kommen den Mietern direkt zugute. Im Dezember 2014 begannen die Bauarbeiten mit dem Rückbau der nicht mehr zeitgemäßen Bestandsgebäude. Richtfest für den ersten Bauabschnitt des Neubaus war im März 2016, ab März 2017 bereits bezogen die Bewohner ihr neues Zuhause.

Qualität in der Planung sichergestellt

Im offenen Wettbewerb setzte sich das renommierte Berliner Architekturbüro Bruno Fioretti Marquez mit seinem Entwurf durch – aus gutem Grund: Die Architekten von der Spree verfügen über große Erfahrung bei der Planung von bezahlbarem Wohnraum mit architektonischem Anspruch. „Uns überzeugte die überdurchschnittliche Qualität des Entwurfs auf Basis einer monolithischen Ziegelbauweise“, erläutert Manuela Rösel-Keim. Die Baukörper mit jeweils drei Häusern greifen grundsätzlich die ortstypische Zeilenbauweise mit Ost-West-Ausrichtung auf. Um unterscheidbare öffentliche und private Räume zu schaffen, knickten die Planer die beiden Baukörper jeweils und stellten sie wie eine Klammer zueinander. „Durch diese Wölbung entsteht im Inneren ein geschützter Außenraum für das soziale Miteinander der Bewohner“, erklärt Piero Bruno, Bruno Fioretti Marquez. Die öffentlichen Erschließungswege sind den Außenkanten der Riegel zugeordnet.

Vielfalt an Grundrisstypen

Bei der Planung der Grundrisse musste sich das Architektenteam an den Förderbedingungen orientieren, denn die einkommensorientierte Förderung in Bayern legt für die einzelnen Wohnungstypen Flächenobergrenzen fest. So darf beispielsweise eine Zweizimmerwohnung maximal 55 Quadratmeter groß sein, eine Vierzimmerwohnung maximal 90 Quadratmeter. Um die Wohnflächen nahe an diese geförderten Maximalflächen zu bringen, sind die Geschossebenen ab dem ersten Obergeschoss für jedes Haus als 5-Spänner mit Aufzug für barrierefreien Zugang zu allen Ebenen konzipiert. „Das reduziert den Flächenverbrauch der drei Treppenhäuser“, so Bruno. Die Grundrisse der Wohnungen spiegeln sich im zweiten und dritten Obergeschoss in der Mitte der Riegel. Ausnahme sind die kleineren Wohnungen an den Stirnseiten der Gebäude. Der Großteil der Drei- bis Fünfzimmerwohnungen ist durchgängig vom Hof zur Straße hin konzipiert, die meisten Zweizimmerwohnungen sind zum ruhigen Innenhof ausgerichtet. Alle Wohneinheiten sind mit Loggien ausgestattet, die fast immer an den Wohnraum gekoppelt sind und sich, wenn möglich, zum Innenhof orientieren. Die Wohnungen in den Staffelgeschossen haben einen Austritt auf die anliegenden Dachflächen, die von den Bewohnern als Dachterrasse genutzt werden. Ein anderes Konzept liegt den Erdgeschosswohnungen zugrunde: Sie sind als Einfamilienhaustyp mit unabhängigen Hauseingängen sowie eigenen Gärten gestaltet.

Modernes Wohnkonzept für soziales Miteinander

Mit dieser Bandbreite an Wohnungstypen schufen die Architekten die Voraussetzung für eine ausgewogene soziale Durchmischung des Quartiers. Unterstützt wird diese „Idee des Miteinanders“ durch einen Concierge-Service als zentraler Anlaufstelle und eine von allen Bewohnern nutzbare separate Gästewohnung. Kreativität bei der Lösung des Parkplatzproblems: Aus Kostengründen verzichtete die Stadtbau auf eine Tiefgarage. Um nicht im Umfeld zu viel Fläche durch Parkplätze zu versiegeln, stellt sie den Bewohnern zusammen mit den Stadtwerken Car-Sharing Autos zur Verfügung. Zeitgemäß ist auch das Energiekonzept: Die Stadtbau setzt zusammen mit der Aschaffenburger Versorgungs- GmbH auf Mieterstrom. Die EnEV 2014-Gebäude werden über ein Blockheizkraftwerk und mehrere Photovoltaik Anlagen mit Wärme und Strom versorgt. Die auf diese Weise regenerativ erzeugte Energie können die Mieter direkt beziehen und dadurch Geld sparen.

Nachhaltige monolithische Ziegelkonstruktion

Das Konzept der Liebighöfe setzt auf Qualität, Nachhaltigkeit und intelligente Detaillösungen. „Deshalb entschieden wir uns zur Errichtung der Außenwände für dämmstoffverfüllte Poroton-Ziegel“, sagt Manuela Rösel-Keim. Sie ermöglichen eine monolithische Bauweise unter Berücksichtigung aller Anforderungen an Statik, Wärme-, Brand- und Schallschutz. „Diese Konstruktion ist sehr langlebig und hält die Instandhaltungskosten auf Dauer niedrig. Zudem überzeugten uns die feuchte- und hitzeregulierenden Eigenschaften von Ziegel, denn ein angenehmes, wohngesundes Raumklima ist zu jeder Jahreszeit wichtig.“ Die Außenmauern im Erdgeschoss bis einschließlich zweitem Obergeschoss sind monolithisch mit dem dämmstoffverfüllten Poroton-Ziegel S10-MW von Wienerberger in der Stärke 42,5 Zentimeter errichtet. Um einerseits Wärmebrücken zu minimieren, andererseits eine einheitliche Ziegeloberfläche für sicheren Putzauftrag zu gestalten, kamen Poroton-Systemergänzungen wie wärmegedämmte Deckenrandschalen, Ringanker, Ziegelstürze, Laibungs- oder Anschlagschalen zum Einsatz. Das Konzept der einheitlichen Ziegeloberfläche setzten die Architekten auch im Staffelgeschoss um. Zwar wurden hier die Außenwände des Staffelgeschosses als wandartige Träger in 24 Zentimeter starkem Stahlbeton geplant, doch die vorgesetzte 18 Zentimeter starke Poroton-Wärmedämmfassade WDF sorgt für zeitgemäßen Wärme- und Brandschutz und bewahrt den homogenen Putzuntergrund.

Architektonische Details schaffen Wohnwerte

Bedingt durch die monolithische Ziegelbauweise ist die Fassade als Lochfassade konzipiert. Die innenbündige Anordnung der Fenster betont den monolithischen Charakter des Baukörpers. Details in Oberflächen und Farben strukturieren die Fassade: Für die Fläche wurde mineralischer Kratzputz verarbeitet, für die Fensterlaibungen und -einfassungen dagegen feiner Putz, beides in hellgrau. Die Fensterbänke setzen diesen Farbton fort, allerdings mit einem überraschenden Detail: Sie sind aus Betonwerkstein. Dagegen kontrastieren die Fenster farblich in einem leichten Grünton. Besonderes ließen sich die Planer auch für die Außenkanten der Gebäude mit den Zugängen zu den Treppenhäusern und den Einfamilienhauswohnungen einfallen. Die Ziegellaibungen der Eingangstüren sind an einer Seite jeweils schräg ausgeführt und mit handgefertigten Verblenderriemchen mit einer grünlich eingefärbten transparenten Glasur im Dünnformat umschlossen. „Die glänzenden Riemchen kontrastieren durch ihren imperfekten Ausdruck wunderbar mit der homogeneren matten Putzoberfläche“, betont Piero Bruno. Die grün gefliesten Bereiche setzen sich im Sockel der Straßenseite sowie in den Durchgängen der Gebäuderiegel fort. Hier sind die Wände sogar vollflächig gefliest. Mit diesem einfachen Mittel entsteht eine ästhetisch ansprechende Straßenfassade, die das Prinzip der Trennung öffentlicher Räume – Gebäudeaußenkante – und privater Räume – Gebäudeinnenkanten – fortführt. „Dies alles mögen Details sein, vielleicht sogar Details, auf die man aus Kostengründen auch verzichten könnte“, sagt Architekt Piero Bruno. „Aber solche Details entscheiden letztlich darüber, ob sich ein Wohngebäude aus der Masse an gebautem Wohnraum positiv hervorhebt, ob es Wohlfühlräume schafft. Genau dies ist ja das Ziel des Projekts Liebighöfe.“ Manuela Rösel-Keim ergänzt: „Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen ist mehr, als günstige Gebäude in die Landschaft zu setzen. Es geht letztlich darum, lebenswerte Räume durch Architektur so zu strukturieren, dass ein friedliches soziales Miteinander entsteht.“