06/2022 Grundlagen einer Smart City – Freiburger Modellprojekt zeigt Perspektiven

Berlin, November 2022 – Die Digitalisierung in Deutschland durchzieht nahezu alle Lebensbereiche der deutschen Gesellschaft. In der Wirtschaft, Verwaltung und auch im Alltag der Menschen finden digitale Transformationsprozesse statt, die unsere Art zu leben und arbeiten in den nächsten Jahren massiv verändern werden oder bereits verändern. Auch auf kommunaler Ebene werden aktuell zahlreiche Entwicklungen angestoßen. In Freiburg im Breisgau wurde im Rahmen der Digitalisierungsstrategie der Stadt seit Frühjahr des Jahres 2022 das Smart-City-Modellprojekt Daten:Raum:Freiburg durchgeführt, deren Ziel die Entwicklung von modellhaften Lösungen für die Datennutzung und -haltung ist. Das Planungs- und Beratungsunternehmen Arup hat im Zuge dieses Projekts zwei Prototypen entwickelt: Eine digitale Vermarktungsplattform für städtische Grundstücke sowie eine Übersicht zu Mobilitätsdaten.

Die digitale Datennutzung ist durch ihre zahlreichen Anwendungsfelder der Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft von Städten und Kommunen in Deutschland. Deshalb fördert der Bund auch in seinem Programm „Modellprojekte Smart Cities“ deren Ausbau. Freiburg gehörte mit seinem Konzept zu den im September 2020 vom Innenministerium ausgewählten deutschen Städten, deren Smart City Vorhaben jeweils mit 8,3 Millionen Euro gefördert wird. Das Ziel des Daten:Raum:Freiburg ist die Bereitstellung der Daten für Bürger, Unternehmen, Wissenschaft und Medien, um Entscheidungen dank aussagekräftiger Daten zu ermöglichen.

Entwicklung eines digitalen Zwillings

Ein wichtiger Punkt bei dieser Arbeit ist es, die Daten in einer Infrastruktur zu bündeln, zu analysieren und zur Verfügung zu stellen. Dafür wird eine Plattformarchitektur (PFA) erprobt. Das Konzept für eine solche Prototyp-PFA wurde zwischen März und Oktober 2022 von Arup erstellt. Außerdem wurden prototypische Lösungen für zwei Use Cases entwickelt, die bei der Erarbeitung eines „digitalen Stadtzwillings“ helfen sollen.

„Die Verantwortlichen der Stadt Freiburg wählten als Fallbeispiele Live-Daten Verkehr und die Vermarktungsplattform für städtische Grundstücke“, erklärt der Projektleiter von Arup, Aurel von Richthofen. „Das Thema Verkehr spielt in jeder Stadt eine sehr zentrale Rolle. Mit einer Echtzeiterfassung von Verkehrsdaten lassen sich zahlreiche Bestandteile optimieren. Sei es die Vermeidung von Staus, Optimierung des öffentlichen Nahverkehrs und eine Reduzierung der Unfallgefahr. Selbst die Umweltbelastung kann gesenkt werden. Die Vermarktungsplattform wiederum bezieht sich auf eines der Kernthemen der Digitalstrategie der Bundesregierung: Verwaltungsleistungen sollen digital angeboten werden.“ Aurel von Richthofen weiß, welche Elemente für eine funktionierende Smart City wichtig sind. Vor allem sieht er die Technologie dahinter lediglich als Werkzeug. „Das übergeordnete Ziel einer Smart City ist es, das Leben der Menschen zu verbessern. Deshalb muss sich jede Entscheidung auch immer am Menschen orientieren“ erläutert der Stadtplaner und Architekt. Der Ansatz, die moderne Stadt an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten ist eine der entscheidenden Kriterien einer Smart City. Bereits bei der Konzeption der Freiburger Digitalstrategie haben die Verantwortlichen deshalb verstärkt darauf geachtet, die Bürger in den Prozess miteinzubeziehen. Das geschah durch Bürgerbefragungen, Workshops und Diskussionsrunden. So wurde ermittelt, welche Elemente einer Stadt besonders relevant für die Bewohner sind.

Verkehr als ein zentrales Problem auf dem Weg zur „smarten“ Stadt

Relevant ist vor allem das Thema Verkehr. Die Erhebung von Live-Verkehrsdaten diente zum einen dazu, mittels optimierter Mobilitätssteuerung einen menschenfreundlichen Verkehr zu gewährleisten und zum anderen exemplarisch die Verwendung von dynamischen Daten aus heterogenen Quellen aufzuzeigen. Die gleiche Struktur kann somit später für andere Anwendungen genutzt werden, die jeweils auf die Verarbeitung dynamischer Echtzeitdaten angewiesen sind. Beispiele sind Klima- und Umweltwerte, Sensorendaten oder Daten aus Internet-of-Things-Anwendungen.

Neben dem Autoverkehr wurden auch Daten zur aktiven Mobilität, also Radfahrer und Fußgänger, gesucht, analysiert und eingebunden. Diese Gruppen fallen bei vielen Analysen durch das Raster. Für die Umsetzung, nutzte Arup eine Open-Source-Software der belgischen Firma Telraam. Deren eingesetzte Sensoren lassen eine Unterscheidung von Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern zu. Dank der Partizipation von Bürgern, die das Kamera-Gerät der Crowdsource-Plattform an der Innenseite ihrer Fenster installierten, konnten somit die notwendigen Daten erhoben werden. Diese Lösung ist datenschutzkonform, da die erhobenen Bilddaten direkt auf den Geräten verarbeitet und nur Zählwerte weitergegeben werden. Das bedeutet, es ist nicht möglich die Bilder anderweitig zu nutzen beziehungsweise diese Daten abzuzweigen. „Wir haben mit der Telraam-Lösung quasi „Datenschutz by Design“ gewährleistet“, erklärt von Richthofen. Im System ist zudem ein historisches Archiv implementiert, das eine Analyse aufgezeichneter Verkehrsdaten erlaubt.

Verwaltungsaufwand wird deutlich reduziert

Der zweite Anwendungsfall verbindet mehrere Komponenten bei der Vermarktungsplattform der städtischen Grundstücksvergabe. Zum einen ging es darum, Geo- sowie Nutzerdaten in die Plattformarchitektur einzubinden, auszuwerten und letztendlich zu visualisieren. Für dieses Fallbeispiel wurde der neue Stadtteil Dietenbach gewählt. In dem seit 2015 geplanten Viertel im Freiburger Westen soll Wohnraum für tausende Menschen geschaffen werden. In der digitalen Aufbereitung werden zu einem bereits bestehenden 3D-Viewer objektspezifische Daten zur Verfügung gestellt. Die interaktive dreidimensionale Karte zeigt verfügbare Parzellierungen der Grundstücke. Alle Schritte des analogen Vermarktungsprozesses werden dabei übernommen und zielen auf eine einfache, datenschutzkonforme Anwendung ab. Nutzer der Plattform können sich über eine eindeutig zugeordnete Identifikationsnummer anmelden. Die zweite Komponente bei der Entwicklung der Vermarktungsplattform war die Implementierung der „Ankergrundstücke“ als innovatives Vergabekonzept. Bestehen zum Beispiel Pläne eine Bäckerei in einem Gebiet zu eröffnen, können die Gewerbetreibenden bereits in Kontakt mit dem ansässigen Nahversorgungszentrum kommen. Oder es bestehen Pläne, dass eine weitere Bäckerei in unmittelbarer Nähe eröffnen soll. Auch das ist für Interessierte einsehbar, was das Risiko für eventuelle Fehlplanungen minimiert. Dieser transparent konzipierte Prozess vereinfacht das Vergabeverfahren und reduziert den Verwaltungsaufwand enorm. „Wir wollen einen Verwaltungsakt, der sich bisher über Monate hingezogen hat, auf wenige Stunden reduzieren“, erläutert Aurel von Richthofen.

Plattformarchitektur als Grundlage für weitere Module

Der wichtigste Bestandteil des Projekts war die Implementierung einer grundlegenden Plattformarchitektur (PFA). Diese besteht aus Open-Source-Komponenten, die den Vorteil mit sich bringen, dass sie die Abhängigkeit zu einem Hersteller vermeiden, Transparenz durch einen offenen Quellcode herstellen sowie Interoperabilität ermöglichen.

Besonders der letzte Punkt ist von großer Bedeutung, da die beschriebenen Anwendungsbeispiele und zukünftige Erweiterungen mit verschiedenen Systemen und Programmen interagieren können müssen und nicht auf eine Technologie beschränkt sein sollen. Zusätzlich kann die entwickelte PFA mit semantischer Webtechnologie ausgebaut werden. Das ist von Relevanz, um in Zukunft eine „Supersuche“ zu gewährleisten. Semantische Webtechnologien verbinden nicht nur unterschiedliche Informationen miteinander, sondern lassen auch eine Verarbeitung des Inhalts zu. „Ein einfacher Digitaler Zwilling ist noch nicht intelligent. Erst durch den Einsatz von Wissensgraphen werden die einzelnen Punkte in eine sinnvolle systematische Struktur eingebunden“, berichtet Projektleiter von Richthofen. Wissensgraphen sind Datenformate, die Informationen sammeln und vermitteln. Bei der Entwicklung eines solchen Wissensgraphen arbeitete Arup mit Computational Modelling Pirmasens (CPMG) zusammen. Der modulare Aufbau der PFA stellt sicher, dass weitere Module ohne Umstände in die vorhandene Struktur integriert werden können. So ist es möglich in Zukunft neben den Modulen „Verkehrsdaten“ und „Grundstücksvermarktung“ beliebig viele weitere Teile in die Struktur aufzunehmen.

Arup demonstriert mit dem Projekt Potenziale der intelligenten Stadtentwicklung

Durch das Projekt Daten:Raum:Freiburg schafft es Arup, an konkreten Beispielen aufzuzeigen, was im Bereich Smart Cities möglich ist. Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit, Reduzierung von Verwaltungsaufwand sowie eine optimierte Mobilität sind nur einige Themen, die eine Smart City ausmachen. „Daten:Raum:Freiburg ist ein Schlüsselprojekt unserer Digitalisierungsstrategie. Es wird uns helfen, die komplexen Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Mit den Prototypen kommen wir einen bedeutenden Schritt im Smart-City-Projekt weiter“, konstatiert Freiburgs Bürgermeister Martin Horn. Jede Stadt muss jedoch individuell geplant werden. Das Vorhaben in Freiburg soll einen Ansatz liefern, wie Städte sinnvoll digitalisiert werden können. Durch erweiterbare und skalierbare Elemente ist dieser Ansatz auch auf andere Städte übertragbar, weil sich so an den jeweiligen Bedürfnissen der Menschen orientiert werden kann.